Bildung ist das, was die meisten empfangen, viele weitergeben und wenige haben. (Karl Kraus)
Die Zeitung ist die Konserve der Zeit. (Karl Kraus)
Das Feigenblatt des Neides ist sittliche Entrüstung. (Karl Kraus)
Künstler ist nur einer, der aus der Lösung ein Rätsel machen kann. (Karl Kraus)
Psychoanalyse ist jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält. (Karl Kraus)
Dem Bedürfnis nach Einsamkeit genügt es nicht, daß man an einem Tisch allein sitzt. Es müssen auch leere Sessel herumstehen. Wenn mir der Kellner so einen Sessel wegzieht, auf dem kein Mensch sitzt, verspüre ich eine Leere und es erwacht meine gesellige Natur. Ich kann ohne freie Sessel nicht leben. (Karl Kraus)
Zum Teufel mit dem Geschwätz über die sexuelle Aufklärung der Jugend! Sie erfolgt noch immer besser durch den Mitschüler, der im Lesebuch das Wort »Horen« anstreicht, als durch den Lehrer, der die Sache als eine staatliche Einrichtung erklärt, die so wichtig sei und so kompliziert wie das Steuerzahlen. (Karl Kraus)
Der Zuhälter ist das Vollzugsorgan der Unsittlichkeit. Das Vollzugsorgan der Sittlichkeit ist der Erpresser. (Karl Kraus)
Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können - das macht den Journalisten. (Karl Kraus)
Was sind alle Orgien des Bacchus gegen die Räusche dessen, der sich zügellos der Enthaltsamkeit ergibt! (Karl Kraus)
Die anständigen Frauen empfinden es als die größte Dreistigkeit, wenn man ihnen unter das Bewusstsein greift. (Karl Kraus)
Die stärkste Kraft reicht nicht an die Energie heran, mit der manch einer seine Schwäche verteidigt. (Karl Kraus)
Eine merkwürdige Art Mensch ist der Beamte eines magistratischen Bezirksamtes. Erledige ich eine Angelegenheit schriftlich, so lädt er mich vor. Gehe ich das andere Mal gleich selbst hin, so fordert er mich auf, eine Eingabe zu machen. Ich muss rein auf die Vermutung kommen, daß er das eine Mal mich kennen lernen und das andere Mal ein Autogramm von mir haben wollte. (Karl Kraus)
In Wien stellen sich die Nullen vor den Einser. (Karl Kraus)
Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen. (Karl Kraus)
Der Skandal fängt an, wenn die Polizei ihm ein Ende macht. (Karl Kraus)
Die österreichische Überzeugung, daß dir nix g'schehn kann, geht bis zu der Entschlossenheit eines Mannes, der auf Unfall versichert ist und sich deshalb ein Bein bricht. (Karl Kraus)
Einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es kann, ist oft schwer. Viel leichter ist es, einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es nicht kann. (Karl Kraus)
Wir leben in einer Gesellschaft, die Monogamie mit Einheirat übersetzt. (Karl Kraus)
Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muss mit einem Satz über sie hinauskommen. (Karl Kraus)
Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten. (Karl Kraus)
Keine Grenze verlockt mehr zum Schmuggeln als die Altersgrenze. (Karl Kraus)
Der Sport ist ein Sohn des Fortschritts, und er trägt schon auf eigene Faust zur Verdummung der Familie bei. (Karl Kraus)
Der Voyeur besteht die Kraftprobe des natürlichen Empfindens: Der Wille, das Weib mit dem Mann zu sehen, überwindet selbst den Widerwillen, den Mann mit dem Weib zu sehen. (Karl Kraus)
Das Christentum hat die erotische Mahlzeit um die Vorspeise der Neugier bereichert und durch die Nachspeise der Reue verdorben. (Karl Kraus)
Die Sitte verlangt, daß ein Lustmörder den Mord zugebe, aber nicht die Lust. (Karl Kraus)
Einen Aphorismus kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Es würde zu lange dauern. (Karl Kraus)
Der Autor, der fremde Kostüme ausklopft, kommt dem stofflichen Interesse von der denkbar bequemsten Seite bei. Der geistige Leser hat deshalb das denkbar stärkste Misstrauen gegen jene Erzähler, die sich in exotischen Milieus herumtreiben. (Karl Kraus)
Erotik ist Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und populärste Hindernis ist die Moral. (Karl Kraus)
Der Momo ist ein unentbehrlicher pädagogischer Behelf im deutschen Familienleben. Erwachsene schreckt man damit, daß man ihnen droht, der Psychiater werde sie holen. (Karl Kraus)
Der Historiker ist nicht immer ein rückwärts gekehrter Prophet, aber der Journalist ist immer einer, der nachher alles vorher gewusst hat. (Karl Kraus)
Die Sprache entscheidet alles, sogar die Frauenfrage. Daß der Name eines Weibes nicht ohne den Artikel bestehen kann, ist ein Argument, das der Gleichberechtigung widerstreitet. Wenn es in einem Bericht heißt, »Müller« sei für das Wahlrecht der Frauen eingetreten, so kann es sich höchstens um einen Feministen handeln, nicht um eine Frau. Denn selbst die emanzipierteste braucht das Geschlechtswort. (Karl Kraus)
Der Übermensch ist ein verfrühtes Ideal, das den Menschen voraussetzt. (Karl Kraus)
Daß Bäcker und Lehrer streiken, hat einen Sinn. Aber die Aufnahme der leiblichen oder geistigen Nahrung verweigern, ist grotesk. Wenn es nicht etwa deshalb geschieht, weil man sie für verfälscht hält. Die lächerlichste Sache von der Welt ist ein Bildungshungerstreik. Ich stimme schon für die Sperrung der Universitäten; aber sie darf nicht durch einen Streik herbeigeführt werden. Sie soll freiwillig gewährt, nicht ertrotzt sein. (Karl Kraus)
Besser es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man wenigstens keine Scherereien mit der Polizei. (Karl Kraus)
Das sind die wahren Wunder der Technik, daß sie das, wofür sie entschädigt, auch wirklich kaputt macht. (Karl Kraus)
Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben. (Karl Kraus)
Wohltätige Frauen sind oft solche, denen es nicht mehr gegeben ist, wohlzutun. (Karl Kraus)
Gedanken sind zollfrei. Aber man hat doch Scherereien. (Karl Kraus)
Einer, der Aphorismen schreiben kann, sollte sich nicht in Aufsätzen zersplittern. (Karl Kraus)
Es gibt nur eine Möglichkeit, sich vor der Maschine zu retten. Das ist, sie zu benützen. Nur mit dem Auto kommt man zu sich. (Karl Kraus)
Enthaltsamkeit rächt sich immer. Bei dem einen erzeugt sie Wimmerln, beim anderen Sexualgesetze. (Karl Kraus)
Schönheit vergeht, weil Tugend besteht. (Karl Kraus)
Tugend und Laster sind verwandt wie Kohle und Diamant. (Karl Kraus)
Bei gleicher Geistlosigkeit kommt es auf den Unterschied der Körperfülle an. Ein Dummkopf sollte nicht zu viel Raum einnehmen. (Karl Kraus)
Vieles, was bei Tisch geschmacklos ist, ist im Bett eine Würze. Und umgekehrt. Die meisten Verbindungen sind darum so unglücklich, weil diese Trennung von Tisch und Bett nicht vorgenommen wird. (Karl Kraus)
Ich habe mich mein Lebtag geschämt, ein Österreicher zu sein, und nie mich dieser Scham geschämt, wissend, daß sie der bessere Patriotismus sei. (Karl Kraus)
Die Rechtsstellung des Zuhälters in der bürgerlichen Gesellschaft ist noch nicht geklärt. Er ist ihr Auswurf. Denn er achtet, wo geächtet wird; er beschützt, wo verfolgt wird. Er kann für seine Überzeugung auch Opfer bringen. Wenn er jedoch für seine Überzeugung Opfer verlangt, fügt er sich in den Rahmen einer Gesellschaftsordnung, die zwar dem Weib die Prostitution nicht verzeiht, aber die Korruption dem Manne. (Karl Kraus)
Wie? Die Menschheit verdummt zugunsten des maschinellen Fortschrittes, und wir sollten uns diesen nicht einmal zunutze machen? Sollten mit der Dummheit Zwiesprache halten, wenn wir ihr in einem Automobil entfliehen können? (Karl Kraus)
Der Aphorismus deckt sich nie mit der Wahrheit; er ist entweder eine halbe Wahrheit oder anderthalb. (Karl Kraus)
Den Leuten ein X für ein U vormachen - wo ist die Zeitung, die diesen Druckfehler zugibt? (Karl Kraus)
Die kleinen Stationen sind sehr stolz darauf, daß die Schnellzüge an ihnen vorbei müssen. (Karl Kraus)
Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja - aber nur keine Intimität! (Karl Kraus)
Pfui Teufel! (Karl Kraus)
Wien, diese vollständige Schatzkammer aller menschlichen Fühllosigkeit und politischen Ehrlosigkeit (Karl Kraus)
Friseurgespräche sind der unwiderlegliche Beweis dafür, daß die Köpfe der Haare wegen da sind. (Karl Kraus)